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Friedrich L. BauerFreundschaften schließt man am leichtesten, wenn man jung ist. In den fünfziger Jahren fehlte es mir an Gelegenheiten, mit russischen Wissenschaftlern Freundschaften zu schließen. Auf internationalen Veranstaltungen sah ich lediglich russische Fürsten der Wissenschaft, eindrucksvolle Gestalten wie Pavel Sergeevich Alexandroff, der auf dem Mathematiker-kongreß 1954 in Amsterdam den besten deutschsprachigen Vortrag hielt. 1955 kam eine sowjetische Delegation unter S. A. Lebedev und J. J. Basilewski nach München, um den Bau unserer elektronischen Rechenanlage PERM zu besichtigen — Robert Sauer und Hans Piloty waren im wesentlichen ihre Gesprächspartner. Der erste jüngere russische Wissenschaftler, den ich in Dresden 1955 traf, war A. A. Abramov. Er hatte schon 1950 eine bedeutende Arbeit zur Verbesserung des Jacobi-Verfahrens publiziert. Dies berührte meine Interessen auf der Seite der numerischen Mathematik. Mit Andrei P. Ershov war es anders. Ich traf ihn Ende der fünfziger Jahre mehrmals auf internationalem Boden. Wissenschaftlich war ich von ihm schon beeindruckt, bevor ich ihn persönlich kannte; bereits sein erster Artikel über Formelübersetzung stand in starker Resonanz mit meinen und Samelsons Arbeiten über Programmiersprachen und ihre Übersetzer, die zweite Seite meiner Interessen in diesen Jahren. Seine und meine wissenschaftlichen Arbeiten erfolgten von da an dreißig Jahre lang in enger Fühlung. Es fiel mir nicht schwer, Andreis Freund zu werden. Ich liebte sein waches Gesicht, seine weltoffene Art. Wir trafen uns auch mehrmals in Moskau und in Novosibirsk. 1970 ging von einem dieser Treffen, die unter dem Patronat von Gurij I. Marchuk — an den ich mich gerne erinnere — stattfanden, ein starker Anstoß füür meine anschließenden Arbeiten über Programmiersprachensemantik und Programmtransformationen aus. Auch Andreis Gedanken über Teilberechnung ('mixed computation') fielen bei mir auf fruchtbaren Boden. 1975, als ich auf Einladung der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften Moskau, Kiev und Tiflis besuchte, kam Andrei nach Moskau, um mich zu treffen. Andrerseits nahm Andrei unsere Gedanken über ALGOL 60 bereitwillig auf und ordnete sie in sein bereits vorliegendes Konzept ein. Durch ihn bekam ich auch guten Kontakt mit seinen Mitarbeitern in Novosibirsk, mit Rar, Pottosin, Itkin, Kotov, Sabelfeld und anderen. Im Gegensatz zu den Bürokraten und Ideologen, von denen sie drangsaliert wurden, erwiesen sie sich alle als freundliche, gutwillige Menschen. Ihre besten Seiten zeigten sie, als 1976 mein Sohn Martin geboren wurde und ich acht Tage darauf nach Novosibirsk kam. Als sie von dem freudigen Ereignis hörten, veranstalteten sie spontan ein großes Fest, mit Krimsekt und anderen Köstlichkeiten des Landes, im Restaurant «Goldenes Tal» des Hotels in Akademgorodok. Ich war gerührt von so viel Herzlichkeit. Herzlichkeit war es, die Andrei auszeichnete. Er erzählte mir einmal in kurzen Worten von seinem Leben, von seinem Vater, von den Kriegsjahren, vom Studium in Moskau. In seinem Bericht schimmerten die Schrecken des Stalinismos durch, aber sie hatten ihn nicht verbittert. Bei aller Internationalität seines Wesens war er ein treuer Sohn Rußlands. Andrei empfing mich einmal, mit anderen ausländischen Gästen, in seiner Wohnung in Novosibirsk. Die sprichwörtliche russische Gastfreundschaft war tief beeindruckend. Anjuta und Wassilij, die Kinder, hatten Tischkarten gemalt mit Zeichnungen, so wie sie sich die Gäste vorstellten. Die Figur, die auf mich gezielt war, ![]() Bauer F.L., Prof. |
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